Mein erstes Mal

Haus des Rundfunks
Haus des Rundfunks

Text ruht bzw. wird noch einmal geschrieben.


Kollegen

Kantine der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz
Kantine der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz

Ich arbeite in einer Kantine, schon länger. Nicht immer klappt alles. Einmal habe ich einen Kollegen beschimpft und mit ihm die anderen Kollegen auch, weil ich mich von ihnen verraten fühlte. Dann bin ich in der Küche verschwunden und wollte alles hinschmeißen. Bis Paul nach hinten kam: „Anne, du kennst doch den Immo, der hat’s nicht so gemeint." Paul hat mir die Hand gereicht und ich bin wieder an Bord gegangen.


Das Schloss ist eine Kirche und heißt Humboldt forum

©Jasper Kettner
©Jasper Kettner

Der Palast stand dort, wo das Schloß stand. Jetzt steht das Schloß da, wo der Palast stand. Die Kuppel trägt ein Kreuz und wer drum herum läuft liest:

„Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.“

Der Kaiser lebt nicht mehr. Aber sein Schloß und sein Geist sind wiederauferstanden. Da das geht, obwohl das nicht geht, nehme ich das ernst. Deutschland bekennt sich zu seinen Panzern als fahrende Kreuzritter. Und wenn wir unterhalb der Kuppel entlang anderer Kulturen wandeln, dann stehen wir immer noch drüber.


Fotze am Platz

Kanner Platz
Kanner Platz

Ich komme aus der Kaufhalle, leicht geschwächt durch einen Schnupfen. Kurz vor der Haustür fährt ein Junge mit seinem Rad haarscharf an mir vorbei. „Fotze!“, rufe ich. Er kommt zurück, bleibt vor mir stehen und fragt:

„Warum nennst du mich so?“

„Weil du so nah an mich herangefahren bist.“

„Aber ich habe dich nicht berührt.“

„Stimmt, aber ich habe mich erschrocken.“

Er reicht mir die Hand (so über den Lenker hinweg). Wir entschuldigen uns beieinander und wünschen uns noch einen schönen Abend.


Lieber Michael Bauchmüller

Ich habe Ihren Artikel „Bittere Ernte“ oder auch giftige Ernte gelesen. Steht ein Baum auf dem Feld, kann der Mäusebussard Ausschau halten. Fehlt ein Baum, fehlt nicht nur der Baum. In der Mehrzahl ist die Feldmaus nicht willkommen. Was nun? Sie wird vergiftet.

Das muß so sein, schreiben Sie, es sei denn, die Menschen ändern ihre Regeln. Sie setzen auf neue Regeln. Ich finde, das ist ein Widerspruch. Warum haben wir uns überhaupt erst diese Regeln ausgedacht? Entweder sind wir doof (dann kommen auch keine besseren Regeln) oder ...

Ich möchte Ihren Artikel gerne mit einer Frage ergänzen: Ist Ausbeutung eine gemeinsame Sache?

 

Mit freundlichen Grüßen

Anne Wundrak


FKK

Im Sommer am Fluss an der Stelle mit dem FKK auf der Rinde eines am Ufer gewachsenen Baumes. Ich lehne mein Rad an und ziehe mich aus. Er hat mehr Klamotten. Er ist mit dem Motorrad da. Ankommen, schwimmen, abfahren. Als ich ihm noch einen schönen Abend wünsche, sagt er: „Feierabend“. Da frage ich nach. Er ist S-Bahnfahrer. Und so gehen wir los.

Er arbeitet nur noch wegen des Geldes. Die Bosse haben einen internen Austausch erst angekurbelt und dann wieder ausgekurbelt, weil sich da zu viel Ärger Luft verschaffte. Früher kommunizierten die Fahrer über Funk miteinander, heute hört die Zentrale mit. Und er, und nicht nur er, macht keinen Hehl mehr daraus, wenn er vorhat, sich nach der Arbeit zu betrinken.

Die Liebe. Seine Geschichten klingen nicht so toll. Jetzt lebt er allein.

Nach drei Kilometern stehen wir vor seiner Haustür. Er stellt die Maschine ab. Da ist Schweiß auf seiner Stirn. Er heißt Wolfram und ich heiße Anne. Noch eine Zigarette, dann verabschieden wir uns, was ein bißchen komisch ist wegen der gerade erlebten Nähe.


Immer locker bleiben

©Leah Gordon
©Leah Gordon

Vor einer Zugreise bestellte ich am Backwaren-Stand einen Espresso und bekam einen Kaffee hingestellt. Ich hatte an diesem Morgen ein kaltes Herz und so sagte ich auch ganz kühl, daß das kein Espresso sei. Der junge Mann, der mir den Kaffee gemacht hatte, sah das anders. Ich wiederholte meinen Satz. Da haute er den Kaffee weg und stürmte aus der Bude. Während er draußen gefangen war, machte mir seine Kollegin einen Espresso. Ich sagte nichts, aber ich war nicht mehr cool, sondern fast er. Niemand in den beiden Schlangen drängelte.


Eckensteher

©Anett Wundrak
©Anett Wundrak

„Det beste Leben hab′ ick doch; Ick kann mir nich beklagen, Pfeift ooch der Wind durch′s Aermelloch, Det will ick schonst verdragen.", lautet die erste Strophe im „Lied der Eckensteher“ von Adolf Glaßbrenner.

Was kann der Eckensteher was ich nicht kann? Einfach alles bleiben lassen. Immer nur ein Tag. Manchmal finde ich den Gedanken verlockend.


Liebe Berliner Zeitung

Berliner Zeitung vom 7. und 8. Januar 2023
Berliner Zeitung vom 7. und 8. Januar 2023

Text ist in Arbeit.


Convict 13

Buster Keaton und Eddi Cline

Eigentlich ist Buster kein Held und auch kein anti-hero. (Lobby Card,1920)
Eigentlich ist Buster kein Held und auch kein anti-hero. (Lobby Card,1920)

Buster spielt Golf, um das Herz einer Frau zu gewinnen. Während er spielt, steht die Welt nicht still. Ein Gefangener bricht aus dem Gefängnis aus. Die Alarm-Sirene heult (Close-up). Weil sie stumm ist, kann sie auch klingeln, woraufhin Busters Sozius – sie sind mit dem Motorrad auf den Platz gekommen – eine Pause macht.

Buster bleibt am Ball und trifft sich selbst. Als er erwacht, steckt er in der Kleidung des Ausbrechers. Jetzt wird er verfolgt. Allerdings nicht in dieser Szene: da führt er die Wärter an, die parierend ihr Ziel, also Buster, vergessen, so daß er einen Vorsprung bekommt. Warum ein Auto kapern, wenn er auch auf-, rein- und in ein anderes umspringen kann?

Die Mauern bzw. das Tor, hinter das er flüchtet, gehören zum Gefängnis. Die Frau vom Golfplatz ist die Tochter des Direktors. Have you done this just to be near me? Sie kann ihren Vater nicht überreden, Buster am Leben zu lassen, jedoch schenkt ihr der Versuch eine Idee!

Buster und sein Henker schütteln sich die Hand. Dann sieht er den Galgen und fällt kurz in Ohnmacht. Bis zur Hinrichtung geht das Leben weiter. Buster wird gehängt, aber der Strick ist elastisch (was die auf der Tribüne sitzenden Gefangenen wütend macht).

Buster alias Convict 13 per Chance wird per Chance ein Wärter. Und prompt benimmt er sich auch so. Eine Revolte bricht aus. Vom Anführer in die Enge getrieben, möchte Buster am liebsten verschwinden. Das Ganze steigert sich zum Actionfilm.

Das doppelte Ende hat mich ein bißchen enttäuscht. Vielleicht war es ein Kompromiß, damit die Welt wieder in Ordnung ist.


Hinterm Brot das Meer

©Volkmar Ernst
©Volkmar Ernst

Text ruht bzw. wird noch einmal geschrieben.